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Max Stirner: Der Einzige und sein Eigentum - Anthologie.

Publié le 06/12/2021

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Max Stirner: Der Einzige und sein Eigentum - Anthologie.
In seinem Hauptwerk Der Einzige und sein Eigentum von 1844 postulierte Max Stirner einen radikalen Solipsismus mit anarchistischer Akzentuierung. Im Folgenden ist die
Vorrede abgedruckt.

Max Stirner: Der Einzige und sein Eigentum
Ich hab' Mein Sach' auf Nichts gestellt
Was soll nicht alles Meine Sache sein! Vor allem die gute Sache, dann die Sache Gottes, die Sache der Menschheit, der Wahrheit, der Freiheit, der Humanität, der
Gerechtigkeit; ferner die Sache Meines Volkes, Meines Fürsten, Meines Vaterlandes; endlich gar die Sache des Geistes und tausend andere Sachen. Nur Meine Sache
soll niemals Meine Sache sein. ,,Pfui über der Egoisten, der nur an sich denkt!"
Sehen Wir denn zu, wie diejenigen es mit ihrer Sache machen, für deren Sache Wir arbeiten, Uns hingeben und begeistern sollen.
Ihr wißt von Gott viel Gründliches zu verkünden und habt Jahrtausende lang ,,die Tiefen der Gottheit erforscht" und ihr ins Herz geschaut, so daß Ihr Uns wohl sagen
könnt, wie Gott die ,,Sache Gottes", der Wir zu dienen berufen sind, selber betreibt. Und Ihr verhehlt es auch nicht, das Treiben des Herrn. Was ist nun seine Sache?
Hat er, wie es Uns zugemutet wird, eine fremde Sache, hat er die Sache der Wahrheit, der Liebe zur seinigen gemacht? Euch empört dies Mißverständnis und Ihr
belehrt Uns, daß Gottes Sache allerdings die Sache der Wahrheit und Liebe sei, daß aber diese Sache keine ihm fremde genannt werden könne, weil Gott ja selbst die
Wahrheit und Liebe sei; Euch empört die Annahme, daß Gott Uns armen Würmern gleichen könnte, indem er eine fremde Sache als eigene beförderte. ,,Gott sollte
der Sache der Wahrheit sich annehmen, wenn er nicht selbst die Wahrheit wäre"? Er sorgt nur für seine Sache, aber weil er Alles in Allem ist, darum ist auch alles
seine Sache! Wir aber, Wir sind nicht Alles in Allem, und unsere Sache ist gar klein und verächtlich; darum müssen Wir einer ,,höheren Sache dienen". - Nun, es ist
klar, Gott bekümmert sich nur um's Seine, beschäftigt sich nur mit sich, denkt nur an sich und hat nur sich im Auge; wehe Allem, was ihm nicht wohlgefällig ist. Er
dient keinem Höheren und befriedigt nur sich. Seine Sache ist eine - rein egoistische Sache.
Wie steht es mit der Menschheit, deren Sache Wir zur unsrigen machen sollen? Ist ihre Sache etwa die eines Andern und dient die Menschheit einer höheren Sache?
Nein, die Menschheit sieht nur auf sich, die Menschheit will nur die Menschheit fördern, die Menschheit ist sich selbst ihre Sache. Damit sie sich entwickle, läßt sie
Völker und Individuen in ihrem Dienste sich abquälen, und wenn diese geleistet haben, was die Menschheit braucht, dann werden sie von ihr aus Dankbarkeit auf
den Mist der Geschichte geworfen. Ist die Sache der Menschheit nicht eine - rein egoistische Sache?
Ich brauche gar nicht an jedem, der seine Sache Uns zuschieben möchte, zu zeigen, daß es ihm nur um sich, nicht um Uns, nur um sein Wohl, nicht um das Unsere zu
tun ist. Seht Euch die Übrigen nur an. Begehrt die Wahrheit, die Freiheit, die Humanität, die Gerechtigkeit etwas anderes, als daß Ihr Euch enthusiasmiert und ihnen
dient?
Sie stehen sich alle ausnehmend gut dabei, wenn ihnen pflichteifrigst gehuldigt wird. Betrachtet einmal das Volk, das von ergebenen Patrioten geschützt wird. Die
Patrioten fallen im blutigen Kampfe oder im Kampfe mit Hunger und Not; was fragt das Volk darnach? Das Volk wird durch den Dünger ihrer Leichen ein
,,blühendes Volk"! Die Individuen sind ,,für die große Sache des Volks" gestorben, und das Volk schickt ihnen einige Worte des Dankes nach und - hat den Profit
davon. Das nenn' ich Mir einen einträglichen Egoismus.
Aber seht doch jenen Sultan an, der für ,,die Seinen" so liebreich sorgt. Ist er nicht die pure Uneigennützigkeit selber und opfert er sich nicht stündlich für die
Seinen? Ja wohl, für ,,die Seinen". Versuch' es einmal und zeige Dich nicht als der Seine, sondern als der Deine: Du wirst dafür, daß Du seinem Egoismus Dich
entzogst, in den Kerker wandern. Der Sultan hat seine Sache auf Nichts, als auf sich gestellt: er ist sich Alles in Allem, ist sich der einzige und duldet keinen, der es
wagte, nicht einer der ,,Seinen" zu sein.
Und an diesen glänzenden Beispielen wollt Ihr nicht lernen, daß der Egoist am besten fährt? Ich Meinesteils nehme Mir eine Lehre daran und will, statt jenen großen
Egoisten ferner uneigennützig zu dienen, lieber selber der Egoist sein.
Gott und die Menschheit haben ihre Sache auf Nichts gestellt, auf nichts als auf Sich. Stelle Ich denn meine Sache gleichfalls auf Mich, der Ich so gut wie Gott das
Nichts von allem Andern, der Ich mein Alles, der Ich der Einzige bin.
Hat Gott, hat die Menschheit, wie Ihr versichert, Gehalt genug in sich, um sich Alles in Allem zu sein: so spüre Ich, daß es Mir noch weit weniger daran fehlen wird,
und daß Ich über meine ,,Leerheit" keine Klage zu führen haben werde. Ich bin (nicht) Nichts im Sinne der Leerheit, sondern das schöpferische Nichts, das Nichts,
aus welchem Ich selbst als Schöpfer Alles schaffe.
Fort denn mit jeder Sache, die nicht ganz und gar Meine Sache ist! Ihr meint, Meine Sache müsse wenigstens die ,,gute Sache" sein? Was gut, was böse! Ich bin ja
selber Meine Sache, und Ich bin weder gut noch böse. Beides hat für Mich keinen Sinn. Das Göttliche ist Gottes Sache, das Menschliche Sache ,,des Menschen".
Meine Sache ist weder das Göttliche noch das Menschliche, ist nicht das Wahre, Gute, Rechte, Freie usw., sondern allein das Meinige, und sie ist keine allgemeine,
sondern ist - einzig, wie Ich einzig bin.
Mir geht nichts über Mich!

Max Stirner: Der Einzige und sein Eigentum. Mit einem Nachwort herausgegeben von Ahlrich Meyer. Stuttgart 1972, S. 3-5.
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